Likör

Likör - der Alleskönner unter den Spirituosen


Der Alleskönner unter den Spirituosen

Sobald die Vielfalt den Maßstab abgibt, nimmt es keine andere Spirituosengattung mit dem Likör auf. Denn die süße Wahrheit ist, dass der Likör in all seinen Spielarten mit 27,9 Prozent den größten Anteil am Spirituosenmarkt in Deutschland verbuchen kann (Quelle: Daten aus der Alkoholwirtschaft 2021). Dafür gibt es neben Geschmack und Vielfalt genügend gute Gründe. Dennoch überraschend, da andere Spirituosen oft mehr Aufmerksamkeit ernten. Erinnert sei nur an den anhaltenden Siegeszug des Gin oder die als Genießer-Spirituosen gehandelten Whisky, Cognac und Rum
 


Likör: von der Medizin zum Genuss

In seinen Anfängen ist der Likör eine Angelegenheit für Ärzte und Apotheker. Der Likör ist nämlich Medizin und die mazerierten sowie destillierten Kräuter und Würzpflanzen haben allein einen therapeutischen Wert. Alkohol steht nicht im Vordergrund, sondern ist eine Zutat in der Rezeptur, die sich dem Destillieren verdankt und seiner haltbar machenden Wirkung. Ziemlich am Anfang dieser Tradition steht Arnaldus Villanova, auch als Arnald von Villanovus bekannt. Der Mann war Leibarzt gleich mehreren Päpste und lebte im 13. Jahrhundert. Zu seinen überlieferten Rezepturen zählen gesüßte Destillate auf Branntweinbasis, denen pflanzliche Wirkstoffe beigegeben werden. 

Zucker ist in jenen Zeiten ein kostbares Gut. Die süße Medizin war folglich teuer und damit der vermögenden High Society vorbehalten. Das drückt sich auch in der Entourage aus, die 1532 Katharina de Medici nach Frankreich begleitet, als sie zur Hochzeit mit dem französischen König Heinrich II. reist. Zur Mitgift der Florentinerin zählen nämlich auch Experten zur Herstellung von Likören. Doch bevor aus der Medizin ein „liqueur de plaisir“ wird, eine Spirituose, die keine Arznei mehr ist, sondern Genuss, dauert es noch ein wenig. Erst als der süße Rohstoff im großen Maßstab aus Zuckerrüben hergestellt wird, kommt der Likör auch unter die kleinen Leute. In Frankreich und in den Niederlanden nehmen in dieser Epoche Likör-Hersteller ihre Arbeit auf, deren Name bis heute in jedem Supermarkt-Regal zu finden ist.
 


Likörtradition aus Deutschland: geschützte Herkunft

Spirituosennamen, die nicht auf den ersten Blick als Likör durchgehen, finden sich auch in Deutschland. Tatsächlich führen beispielsweise der Blutwurz  und der Hüttentee in ihrem Spirituosenausweis das „Likör“ im Nachnamen. Noch naheliegender sind die vielzähligen Kräuterliköre oder auch Klosterliköre – einige davon sogar als geografische Angaben geschützt wie die Benediktbeurer, Chiemseer und Ettaler Klosterliköre. Dabei braucht es noch nicht einmal das Siegel der geschützten Herkunftsbezeichnung, denn regional ist der Likör längst mit Ruf und Tradition zum flüssigen Kulturgut aufgestiegen. 

Blickt man auf die beliebtesten Likörarten der Deutschen, zeigt sich schnell, warum es allein mit regional verwurzelter Herstellung und Wertschätzung aber nicht getan ist. In der Hitparade der Konsumenten liegen Fruchtlikör und Eierlikör ganz weit oben, Sahnelikör, Halbbitter- und Bitterlikör, Kokosliköre und Mokkalikör oder auch der Pfefferminzlikör folgen auf den Plätzen – und damit ist die Liste längst nicht komplett. Von heimisch bis exotisch, von Cream bis Bitter, die Verlockungen des Likörs sind zahlreich und genau diese Vielfalt wird geschätzt.
 


Eierlikör: von Kult bis Kaffeekränzchen

Vielfalt heißt, es gibt gleich mehrere Arten einen Likör zu genießen. Vielfalt bedeutet aber auch, dass ein Likör von vielen Verschieden zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten ins Glas kommt. Welche Likörart erzählt diese Geschichte eindrucksvoller als der Eierlikör. Denn Entgegen dem ersten Anschein des traditionellen, geradezu sprichwörtlichen „Eierlikörchen“ zum Kaffee, hat der Eierlikör eine exotische Herkunft. Die Urversion des Eierlikörs stammt wohl aus Südamerika und wurde aus Rum, Rohrzucker und Avocados hergestellt. Die Avocado erklärt bis heute die alternativen Namen des Eierlikörs: Advokat, Avocat oder auch Advocaat.

Im Bestreben, dieses Getränk in Europa nachzuahmen, galt es, eine Alternative zur schwer zu beschaffenden Avocado zu finden, und die Antwort hieß Eigelb. Daraus entstand der Eierlikör, der bis heute mindestens 140 Gramm Eigelb pro Liter nachweisen muss, um den Ehrennamen tragen zu dürfen. Denn in Ehren steht der Eierlikör bei Jung und Alt, bei Barkeepern und Dessert-Künstlern gleichermaßen. 
 


Formsache: Likör in der EU-Spirituosenverordnung

Ein Blick in die EU-Spirituosenverordnung offenbart, dass der Likör als eigene Gattung so weit gefasst ist, dass einfach viele Spirituosen unter sein Dach schlüpfen. Selbst wenn es der Name gar nicht ahnen lässt, gibt es auch international einige Kategorien, die ausdrücklich als Likör mit besonderer Herstellungsart und/oder besonderen Zutaten definiert sind. Wenig bekannt ist, dass beispielsweise ein Sloe Gin und ein Sambuca, ein Maraschino und Nocino oder auch der Cherry und der Apricot Brandy zur großen Likör-Familie zählen. 

Einfach gesagt, braucht es für einen Likör Alkohol, Zucker, Wasser und eben jene Zutaten, die Aroma und Geschmack beitragen. Das große Geheimnis eines Likörs liegt in den eingesetzten Kräutern, Früchten und Wurzeln und wird daher streng gehütet. Insbesondere bei den Kloster- und Kräuterlikören geben die Erzeuger selten alle Ingredienzen preis, geschweige denn die genauen Mischverhältnisse und die besonderen Kunstgriffe in der Herstellung. Wie ihre mittelalterlichen Vorgänger in den Klöstern und Apotheken behalten sie die exakte Rezeptur lieber für sich. 

Ganz transparent sind dagegen die Auflagen der EU-Spirituosenverordnung. Ein Likör besitzt einen Mindestalkoholgehalt von 15 Prozent. Zum zweiten gibt es auch einen Mindestzuckergehalt beim Likör. Der beträgt generell 100 Gramm Zucker auf einen Liter, kennt aber zwei Ausnahmen. Für Kirschlikör, der aus Kirschbrand erzeugt wird, sind nur 70 Gramm/Liter vorgeschrieben und für Enzianlikör 80 Gramm pro Liter. Erreicht der Zuckergehalt den Wert von mindestens 250 Gramm pro Liter wird der Likör als Crème bezeichnet. Das ist also die ganz süße Fraktion der Liköre.
 


Multitalent Likör: Aperitif, Cocktail & mehr

Mit einem Likör kann man feiern und schlemmen, genießen und inspirieren. Gerade weil die Welt der Liköre so vielfältig ist, eignet sich ein liqueur de plaisir als Aperitif und Digestif gleichermaßen und kommt bei Desserts sogar in der Küche zum Einsatz. Auch aus der modernen Mixology – die hohe Schule der Cocktails – sind Liköre nicht wegzudenken. Dabei können sie mal für Süße, mal für Frucht einstehen, verleihen dem Cocktail zusätzliche Tiefe und auch mal seine typische Farbe. Black Russian und B 52, Cosmopolitan und Kamikaze – ohne Likör gäbe es sie nicht. 

Ganz egal, wie ein Likör genossen wird, es gilt im Blick zu bewahren, dass es sich um eine Spirituose von mindestens 15 Prozent Alkoholvolumen handelt. Maßvoll genießen heißt daher auch beim Likör die Devise, gerade weil die Süße im Likör uns den Alkohol schnell vergessen lässt. Zudem steht der Zucker auch für mehr Kalorien im Drink. Bei einem Likör mit 15 Prozent Alkoholvolumen sind dies bei 20 Milliliter 25 Kilokalorien oder 103 Kilojoule. Bei einem Crème mit mehr Zucker werden daraus 37 Kilokalorien oder 154 Kilojoule. Für Menschen, die bewusst und in Maßen genießen, alles keine Gründe, der wunderbaren Vielfalt der Liköre zu entsagen.